Konzeptlosigkeit

von | 16.12.2018 | Blick in eine andere Welt | 0 Kommentare

Das Konzept der Konzeptlosigkeit
oder: Lehrer und Schüler zugleich

Konzepte sind Strukturen, an Hand derer wir von einem bestimmten Standpunkt aus versuchen das So-Sein dieser Welt zu beschreiben, egal auf welchen spezifischen Sachverhalt wir gerade unsere Aufmerksamkeit richten. Werden diese Konzepte zur Wahrheit erklärt, dann haben wir das, was wir heute Bildung nennen. Es werden Betrachtungen von bedeutenden Wissenschaftlern der Vergangenheit immer wieder aufbereitet und als Wahrheit weitergegeben. Erst aber, wenn diese Wahrheiten grundsätzlich in Frage gestellt werden, ist Entwicklung im Sinne von Erkennen möglich.

Kugel oder Scheibe…
Die Annahme, dass die Erde eine linsenförmige Scheibe sei, konnte nur dadurch berichtigt werden, dass da jemand den Mut hatte diese Weltanschauung in Frage, sich selbst außerhalb des allgemeinen Konsens und somit in die gesellschaftliche Einsamkeit zu stellen, …um damit die Türen zur heutigen Astronomie zu öffnen.

…oder Quanten-Physik
Wir haben heute modernste Technik um uns mit der Betrachtung der Welt immer weiter vor zu wagen, aber diese Idee, dass die Erde rund sei, hatte damals ähnlich weltbewegenden Charakter wie heute die Erkenntnis der modernen Quantenphysik, dass das körperliche Erscheinungsbild der Materie vom Standpunkt des Betrachters abhängig ist. Das stellt nicht nur unsere Naturgesetze auf den Prüfstand, sondern lässt die Frage völlig neu erscheinen, wer denn nun der Schöpfer unserer Realität ist. …und ist die Erde nun eine Kugel oder eine Scheibe?
Kommen doch heute wieder Stimmen auf, die die Welt als Kugel in Frage stellen und die „Scheibe“ beweisen wollen… Was würde es bedeuten, wenn beides richtig ist und die eine Sichtweise die andere ergänzt?

Kurz zusammengefasst
Konzepte sind dazu da, über das Konzept selbst hinauszuwachsen und sich in neue, umfangreichere Konzepte auszudehnen. Man könnte sagen, es sind erschaffene Vehikel, um Betrachtung und Entwicklung möglich zu machen und sie dann wieder zu verlassen und Raum für neue, anders verknüpfte Betrachtungen zu schaffen.

Veränderung und Wandel
Das hat nichts mit Wahrheit zu tun, oder nur insofern, dass die einzige Wahrheit die ständige Veränderung, der Wandel ist.

Solch eine Art von Entwicklung hätte mit multidimensionaler Ausdehnung zu tun und nicht, wie unser so genannter Fortschritt, mit einer linearen Bewegung zu einer höchsten Spitze. Weiterhin würde es eine Entwicklung in rasender Geschwindigkeit bedeuten, die völlig dem Streben unseres Verstandes nach Sicherheit und Beständigkeit widerspricht.

Bleiben wir in einem Konzept stecken, so erzeugt die aus Erkenntnis entstandene Geborgenheit das Gefühl von Enge und Angst, aus der heraus wir uns befreien wollen (…sollten).

Sicherheit und Aggression
Indem aber unser Verstand aus Geborgenheit gerne das Gefühl von Sicherheit entwickelt und wir nur ungern diese Sicherheit aufgeben, verharren wir zu lange in dieser Enge oder versuchen  noch höhere Gipfel zu erreichen. Das ist das, was sich in unserer Welt in Perfektion, Spezialisierung, Leistung, Unbeweglichkeit und Angst ausdrückt. Da Kinder grundsätzlich auf verschiedenen Ebenen sich ausdehnende Wesen sind, ist es nicht verwunderlich, dass sie mit Aggression oder Lustlosigkeit auf die sehr strenge, linear ausgerichtete, leistungsorientierte Anforderung reagieren. Die Anforderung ist nicht zu hoch, sondern zu eng und zu einseitig.

In Frage stellen lassen heißt lernen
Pädagogen, gerade für den Bereich des Kindesalter, sind daher in meinen Augen ständig herausgefordert, ihre Erkenntnis von kindlichen und jugendlichen, auf jeden Fall höher entwickelten Geistern in Frage stellen zu lassen und sich immer wieder neu auf die momentane Situation einzulassen – ohne die vermeintliche Sicherheit von gelerntem und erarbeitetem Wissen. Entwicklung ist nur gemeinsam möglich, nur dann, wenn Pädagogen und Eltern in jedem Moment bereit sind, dazu zu lernen. Andernfalls muss sich das ohnehin größere Potential der Kinder auf unsere Vergangenheit reduzieren und zurecht-schrumpfen. Das erzeugt Druck und spezifische Überbelastung.

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Anti-Autoritäre Erziehung
Aus dem Versuch der antiautoritären Erziehung in den 60er und 70er Jahren wissen wir, dass Erziehung völlig ohne Struktur nicht funktioniert. Man dachte, man könnte es den Kindern völlig selbst überlassen zu lernen und sich zu entwickeln, indem sie ja ohnehin das größere Potential mitbringen. Entstanden ist aber ebenfalls ein aggressives, trotziges oder lethargisches Verhalten, also eine ähnliche Reaktion wie wir sie heute bei unseren Kindern in der Leistungsgesellschaft wahrnehmen können. Nur einmal ist sie aus Enge und das andere Mal aus Haltlosigkeit entstanden.

Struktur und Chaos
Das heißt, ein Kind ohne Führung und Struktur aufwachsen zu lassen, wird seiner Vielfalt genauso wenig gerecht, wie völlig auf spielerische Kreativität und Chaos zu verzichten.
Konzepte werden entworfen, um sie durch die daraus entstandene Erkenntnis wieder zu verlassen. Haben wir den Mut das, was bei der Betrachtung der Erde  mehrere hundert Jahre dauerte, in jedem Moment neu geschehen zu lassen? In jedem Moment unsere neu entwickelte Wahrheit wieder und wieder in Frage stellen zu lassen? Wenn ja, erreichen wir das, was der Künstler Joseph Beuys vertritt: Lehrer und Schüler sind in jedem Moment Lehrer und Schüler zugleich! Und Entwicklung potenziert sich damit, wir dehnen uns multidimensional aus… in einer Geschwindigkeit, in der Festhalten im Sinne von Starrheit nicht mehr möglich sein wird – oder zumindest furchtbar weh tut.

Bezogenheit
Unsere Erfahrung, sowie Traditionen werden also zur Struktur, über die unsere Kinder hinaustreten und innerhalb derer sie einen Standpunkt beziehen können. Ohne Standpunkt und ohne Bezogenheit geht es nicht, wie uns die anti-autoritäre Erziehung lehrte, weil es im selben Moment zu viele Möglichkeiten gibt… mit dem Festlegen von Wahrheiten geht es auch nicht, weil es dann zu wenige Möglichkeiten gibt. Also bleibt in jedem Moment die Herausforderung, individuell für jedes Kind ein neues Anforderungsprofil zu gewährleisten.

Unmöglich?
Das gelingt nur, wenn man als Pädagoge gelernt hat, sich in seine vielfältigen Möglichkeiten hinein auszudehnen und jede Form von „Sicherheit“ aufzugeben, wenn man bereit ist, immer wieder neu das Risiko einzugehen „Fehler“ zu machen und völlig ohne Wertung kindliche Unschuldigkeit und traditionelles Wissen zu verbinden. …sind unsere Kinder nicht die größten Lehrmeister darin?

Das Konzept der Konzeptlosigkeit heißt also, Wissen und Erfahrung als Struktur zu verwenden und gleichzeitig die selbst gewählte Struktur zu hinterfragen und wieder zu verlassen.

Möglichkeit statt Wahrheit
Es werden Konzepte also nur als Möglichkeit und nicht als Wahrheit angeboten, um dem Lernenden den Raum zu bieten seine persönliche Wahrnehmung daran zu überprüfen. Man bezieht sich nicht mehr auf Wertung, sondern auf den vorher gewählten Standpunkt, wodurch Betrachtungen durch differierende Sichtweisen erweitert werden. Als Pädagoge bezieht man also den Standpunkt des Schülers und stellt dessen Wahrnehmung durch die eigene in Frage, um ihm die Möglichkeit zu geben, sein Erleben durch eine andere Sichtweise zu erweitern. Auf gleiche Weise kann auch der Pädagoge sein Erleben erweitern und wird im selben Moment zum Schüler.

Rückhalt und Sicherheit
Die letzte Frage bleibt: Wenn nicht mehr unser gelerntes Wissen  und unsere Erfahrung uns Rückhalt und Sicherheit bieten, was dann?

Es ist das Wahrnehmen und Erleben von Einheit, das wonach wir nach der Geburt auf die Suche gegangen sind, es ist das Erleben der Mitte zwischen den Polaritäten, zwischen den Wertungen, es ist das pulsierende Energiefeld das alles durchdringt.

Das mag für die ein oder anderen Ohren esoterisch oder spirituell klingen, aber davon abgesehen, dass das Leben an sich Spiritualität ist, ist in meinen Augen oben Gesagtes nicht eine Frage der Anschauung, sondern eine Frage des Erlebens! Wohin also richte ich meine Aufmerksamkeit? Ich habe die Wahl, die Welt in einem „entweder-oder“ oder einem „sowohl-als-auch“ zu betrachten. Jeder wird das für sich auf individuelle Weise herausfinden… das ist das Prinzip der gelebten Erfahrung.

Sowohl-als-auchI
In einem „sowohl-als-auch“ gibt es kein richtig oder falsch mehr und jedes Kind ist herausgefordert, seine eigene Möglichkeit zu entdecken, auszuprobieren und wieder zu hinterfragen, um die Vielfalt zu erweitern. Der Pädagoge hat die Aufgabe, die Kinder auf ihrer Entdeckungs- und Entwicklungsreise zu begleiten, streckenweise zu führen und ein Beispiel zu sein für gelebte Veränderung, er gibt keine Antworten, sondern beschränkt sich darauf immer wieder neue Fragen zu stellen. Es wird kein Seins-Schema mehr vorgegeben, sondern ein höchst individuelles Potential gefördert, das am Ende jeder für sich ent-wickeln muss.

Mut
Indem in unserer modernen Welt jeder Erfolg über vorausgegangene Konzepte berechenbar wird, braucht es Mut diese eingetretenen Pfade zu verlassen, um unserem schöpferischen Sein, Raum zu geben….

Die „neue Zeit“ braucht Mut!… hab ich das schon mal geschrieben? Ich glaub schon ;o)

Herzlich
Christian

Mediale Einzelsitzung

> um festgefügte Konzepte zu entlarven 
> um einzusteigen in eine unschuldig-freie Lebensweise

> um Kindern respektvoll und strukturiert entgegen zu treten

 

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Pause

Pause

Mit Pause ist eine Lücke gemeint, die man einfach durch "Nichts-Tun" entstehen lässt. Das können Tage und Wochen sein, oder auch Sekunden-Bruchteile.... Es ist der kurze Moment indem ich mein "Glas" leere damit es neu "erfüllt" werden kann und die Inspiration die ich im Moment brauche hineinfließt.

Im Falle dieses Podcasts ist die Pause ein paar Wochen lang... um den "Kurs" der Reise neu auszurichten und neue inspirative Ideen einfließen zu lassen...

Ich freue mich darauf, Euch Anfang Oktober wieder begrüßen zu dürfen!
Herzlich, Christian