entwurzelt

von | 30.11.2018 | Wandel | 0 Kommentare

Inspiriert von einem Bild des Wurzelwerks eines umgestürzten Baumes entstand dieser Artikel. Der Wald als eigenständige Lebensform ist so ein wunderbarer Spiegel für unser menschliches Sein und so präzise in seiner Aussage, dass es nicht verwundert, wenn der Wald heilsame Wirkung hat… nicht nur über die Farbe „Grün“ als stressmildernde Farbfrequenz und den Sauerstoff, sondern auch über das eherne Abbild von Leben an sich, das rigoros ehrlich zur Schau gestellt wird.

Es ist eine skurrile Schönheit die sich da zeigt, und indem wahrscheinlich der Wind den Baum zu Fall gebracht hat, offenbart er im Sterbe-Prozess das, was eigentlich im Verborgenen bleibt – sein Wurzelwerk. Ähnlich seinen Ästen, die in die Luft ragen um Sonnenlicht aufzunehmen und Wasser zu seinem eigenen Fuße zu geleiten, greifen die Wurzeln in das Erdreich um im Austausch Mineralien und Nährstoffe aufzunehmen. Nicht nur das eigene Leben wird darüber erhalten, sondern auch das seiner Artgenossen und vieler verschiedener Lebensformen, die sich am Zuckersaft laben.

Nicht nur der Selbsterhalt wird über die Wurzeln, über den unsichtbaren Teil organisiert, sondern auch der Informationsaustausch. In Symbiose mit Pilzgeflechten werden Botschaften weit über die Grenzen des eigenen Wurzel-Radius hinaus weitergetragen, sodass „Erfahrungen“ eines Baumes schnell zur Verhaltens-Grundlage eines ganzen Waldes werden können. Wie weit diese Informationen reichen ist bis heute noch unklar.

Der Spiegel
Schauen wir in den Spiegel dieser Momentaufnahme – und der Blick gibt das wieder, was gerade in meiner Wahrnehmung auftaucht – so drängt sich die horizontale Ebene auf, die der liegende Stamm unmißverständlich darstellt und damit das beschreibt, was gerade in der Menschheit, in unserem Leben und Handeln passiert. Vorrangig wichtig ist gerade der individuelle Selbstausdruck, das Handeln, welches bestimmte Ergebnisse erzeugt und im Idealfall „Erfolg“ generiert. Wir beziehen unseren Selbstwert aus dem, wie die äußere Welt uns sieht, wie sie unser Handeln annimmt und richten uns permanent neu darauf aus – um am Ende erfolgreich zu sein, mit dem was wir tun. So, sagt man, funktioniert die Welt – zumindest der wirtschaftliche Teil davon.

Die Wurzel…
…in diesem Bild wird zur sehr individuellen Form, weil sie bloßgelegt ist. Die verborgensten Eigenarten werden zur Schau gestellt, um auf die Besonderheiten hinzuweisen… fast eine Notwendigkeit, um sich in dieser lauten, vielfältigen Welt abzuheben und überhaupt noch sichtbar zu werden. In der Hoffnung noch ein Stück vom Kuchen abzubekommen, der zur Neige zu gehen droht.
Diese Notwendigkeit ist eine der Stressformen, die uns dann wieder in den Wald gehen lässt um zu entspannen und in der Selbstverständlichkeit zu baden: „Waldbaden“.

Monokultur
Dass dieser Baum vom Wind erfasst werden konnte und zu Boden gerissen wurde liegt mit höchster Wahrscheinlichkeit daran, dass es nur diese eine Baum-Form im Wald gibt. Fast widersprüchlich taucht die oben beschriebene Individualisierungsform eben in der Monokultur auf, in der wir über Schule, Studium und Ausbildung großgezogen werden. Schnelles Wachstum macht bestimmte Baum-Arten notwendig, damit immer dann, wenn die einen verbraucht sind, schnell wieder andere parat stehen. Es ist ein Getriebe, das sich selbst notwendig macht und wenn dann plötzlich ein Parasit auftaucht, wie der Borkenkäfer, dann hat man alle Hände voll zu tun, die totale Vernichtung der scheinbar lebenswichtigen Grundlage zu verhindern.

Sterben
Eins der eindrücklichsten Beispiele aus unserer eigenen Umgebung ist der Nationalpark im Bayrischen Wald. Ursprünglich ist dieser Wald kein Nadelwald gewesen, sondern ein Ur-Misch-Wald, der Heimat war für viele wilde Tiere – die man heute absurder Weise hinter Zäunen in genau diesem „Park“ besichtigen kann. Über den Handel wagten sich Menschen in diese wilde Gegend und bald waren da auch Siedler zu finden. Die Wälder wurden zum Rohstoff-Lieferanten, nicht zuletzt deswegen, weil man die Glasherstellung entdeckte und Unmengen an Holz benötigte um diese Kunst bewerkstelligen zu können. Eine schnellwachsende Baum-Art musste gepflanzt werden, um dieser Notwendigkeit statt zu geben – deshalb ist der Bayrische Wald fast durchgängig ein Nadelwald…

Es wurde ein National-Park aus einem Teil der Wälder gemacht, um dem „Verbrauch“ der Wälder und dem plötzlich notwendig gewordenen Jagd-Aufkommen Einhalt zu gebieten. Durch Sturm und Windbruch wurden große Flächen des Mono-Waldes zerstört und dem Borken-Käfer standen die Türen offen.

Heldenhaft, gegen den Widerstand der Jäger, Förster und der Öffentlichkeit, wurde nichts weiter unternommen – und der Wald „starb“ über große Flächen hinweg. Nichts wurde aufgeräumt und ausser die umliegenden Privatwälder vor der Borken-Käfer-Invasion zu schützen, griff man nicht mehr weiter ein.

Aus dem Mut und dem Vertrauen, die Natur sich selbst zu überlassen, erwuchs ein, zwar noch junger, aber völlig intakter Ur-Wald, der inzwischen weltweit bekannt ist. Über die Arten-Vielfalt, die sich innerhalb von nur drei Jahrzehnten dort ansiedelte, hatte man zu Zeiten der ausschlaggebenden Entscheidungen keine Vorstellung.

entwurzelt
In unserer Monokultur-Gesellschaft, in der man gerade so sehr nach Individualität schreit, werden nach und nach die Wurzeln schwach. Fällt im Moment noch nicht so auf, weil ja in kurzer Zeit die „Jungen“ nachwachsen. In festgeschriebenen Traditionen versucht man händeringend die Rückverbindung in das Althergebrachte zu halten, damit uns nicht unser eigenes Wissen abhanden kommt. Indem es aber nur um kurze Zeiträume geht und wieder auf der horizontalen Ebene nur die Fertigkeiten weitergegeben werden, aber die nötige Tiefe darin nicht mehr mit transportiert werden kann, verliert sich unsere tiefe Verbundenheit mit Mutter Erde in skurrilen, verallgemeinerten Bildern und die Ahnen-Wurzeln werden immer dünner.

Photosynthese
Gleichzeitig wachsen auch die Blätter, die das Licht zur Nahrungsgewinnung umsetzen, kleiner, blasser und weniger kräftig. Die Wurzeln greifen nicht mehr so tief, das Licht kann nicht mehr ausreichend assimiliert werden und verzweifelt versucht man bei den Nachbarn „Nahrung“ zu rauben, um sich selbst zu erhalten. Wir bewegen uns also Stück für Stück in die horizontale Lage, wo wir bestenfalls noch Nahrung sind für Pilze und Kleinstlebewesen, die schon immer dafür gesorgt haben das natürliche Spiel des Lebens zu erhalten.

Anpassung
Und weil das Licht immer weniger aufgenommen werden kann, gibt es gleichzeitig eine Sehnsucht nach etwas, was schwer zu greifen zu sein scheint. Mit weniger Wurzeln fehlt uns der Halt, und mit kleineren Blättern fehlt uns das Licht.
Entweder verlieren wir uns in der oberflächlichen Welt, in der es nicht so auffällt, dass die Wurzeln nicht mehr so tief reichen. Wir verschönern ein wenig das Selbstbild mit den Angeboten der Monokultur oder geben uns ein skurriles Aussehen, um die Entwurzelung zu verschweigen.
Oder es entwickelt sich eine Licht-Sehnsucht, die unterschiedliche Ausdrucksformen haben kann. Zum einen in buntem, hellem, grellem Licht – das gerade zu Weihnachten auf vielen Balkonen funkelt – so dass man schon von „Licht-Verschmutzung“ spricht und zum andern in der Suche nach dem „göttlichen Licht“ also der sogenannten „Erleuchtung“.

Netzwerk
Ein anderes Phänomen ist, dass man aller Orts von „Netzwerken“ spricht. Eine interessante Idee, wenn das Wurzel-Netzwerk immer dünner wird und der Stamm zu kippen droht. In Zeiten von Facebook, Instagram und Twitter wird das, was ursprünglich in die Tiefe reichte und in Symbiose Informationen um den ganzen Erdball senden konnte, mit Schnelllebigkeit, Selbstdarstellung und Oberflächlichkeit ersetzt. Obendrein hält es uns auch permanent beschäftigt, um ja keine Information zu verpassen und gleichzeitig von der Tiefe fern, die uns stabilisieren und nähren würde.

Mut und Vertrauen
Aber kein „Schaden“ ohne „Nutzen“, wie man an dem Beispiel vom National-Park sehen kann. Es ist das viel besprochene „Sterben“, das der nachfolgenden Generation die Nahrung gibt, stark und vital zu erblühen. Global gesehen sind wir in einem Sterbe-Prozess. All die Viren und Parasiten unserer Monokultur nagen an unserer Immunität und lassen uns auf Hochtouren laufen, um das, was sonst mühelos zur Verfügung steht, immer wieder neu zu generieren.

Allerdings ist damit nicht gemeint, dass diese Gesellschaft erst sterben muss, bevor eine neue Generation erblühen kann – auch wenn das eine Möglichkeit wäre. Sondern damit ist gemeint, dass all die Verhaltensweisen die in die Monokultur führen, losgelassen werden dürfen, damit der Ur-Wald wieder Boden und Tiefe gewinnt. Wir überlassen uns vertrauensvoll dem „Borkenkäfer“, damit wir uns wieder selbst zur Nahrung werden. Das ist der Ur-Wald des Menschseins und der hat dann am Ende tatsächlich was mit Individualität zu tun. Die Arten-Vielfalt wird überwältigend sein und es braucht Mut, sich als “eigen“ zu erkennen.
Der Wald leistet keinen Widerstand gegen den Sterbe-Prozess… wir tun es im Moment, weil wir das Ergebnis nicht überblicken,

Der Gewinn…
…ist dann nicht mehr das Geld, der Gewinn ist dann die Stabilität und ein vernetztes Sein, von dem wir heute noch nicht einmal träumen können. Keiner wird mehr den Computer bemühen, um Informationen auszutauschen – wir werden herumlaufen wie offene Bücher in denen jeder lesen kann und wir müssen uns nicht mehr die Mühe machen soviel zu reden. Ich weiß, da kommt die Angst vor der Verletzlichkeit…. Aus den Augen unserer Monokultur-Gesellschaft völlig nachvollziehbar. (…das wird nochmal ein eigenes Thema…)

Und wir werden völlig neue Wurzeln haben und kräftig grüne Blätter, weil wir keine Traditionen und Rituale mehr brauchen um die Rückverbindung zu Mutter Erde und Vater Himmel aufrecht zu erhalten… Wir werden erblühen in unserer Schönheit – nicht oberflächlich, sondern tief.

Das Einzige was es braucht, ist der Mut und das Vertrauen, den „Borkenkäfer“ frei gewähren zu lassen. Keiner weiß genau was dabei herauskommt, aber es wird wunderbar sein.  ;o)

Herzliche Grüße
Christian

Mediale Einzelsitzung

> für Menschen die Bereit sind den Prozess geschehen zu lassen…
> für Menschen die erblühen wollen…
> für Menschen die neu verwurzelt sein wollen

 

 

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Pause

Pause

Mit Pause ist eine Lücke gemeint, die man einfach durch "Nichts-Tun" entstehen lässt. Das können Tage und Wochen sein, oder auch Sekunden-Bruchteile.... Es ist der kurze Moment indem ich mein "Glas" leere damit es neu "erfüllt" werden kann und die Inspiration die ich im Moment brauche hineinfließt.

Im Falle dieses Podcasts ist die Pause ein paar Wochen lang... um den "Kurs" der Reise neu auszurichten und neue inspirative Ideen einfließen zu lassen...

Ich freue mich darauf, Euch Anfang Oktober wieder begrüßen zu dürfen!
Herzlich, Christian

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